Focus Stacking: Das Normale übertreffen

David LeaserMakro und Nahaufnahme15 Sept. 20237 Minuten Lesezeit
David Leaser provides a tutorial on focus stacking and a more advanced macro photography. Originally published in the Le Mag France Nikon.

Glaubt ihr, dass ihr alles über Schärfe wisst, was es zu wissen gibt? Willkommen beim Focus Stacking: der Kunst, Nahaufnahmen zu erstellen, die so viele Details enthalten, wie sie mit einem Standardzoom einfach nicht erfasst werden können.

Focus Stacking ist eine Technik, mit der Nahaufnahmen mit maximaler Tiefenschärfe und mehr Detailreichtum als bei herkömmlichen Makros erzeugt werden. Wenn ihr mit dieser Technik nicht vertraut seid, fragt ihr euch vielleicht, was das soll. Warum stellt man sein Objektiv nicht einfach auf f/11, f/16 oder f/22 ein, um die gewünschte Tiefe zu erreichen?

Das ist eine gute Frage mit einer einfachen Antwort: Focus Stacking führt zu der Art von beeindruckenden Fotos, die ihr hier seht. Der preisgekrönte Kunstfotograf David Leaser hat dafür mehrere Fotos seiner floralen Motive mit unterschiedlichen Fokuspunkten aufgenommen. Anschließend schichtete er die einzelnen Fotos mithilfe einer Software übereinander, um ein gestochen scharfes, detailliertes Kompositbild zu erstellen. Focus Stacking erweitert also die Tiefenschärfe in der Makrofotografie, indem separate Fotos mit unterschiedlichen Fokuspunkten zu einem einzigen Bild übereinander geschichtet werden.

Ihr wollt Focus-Stacking-Profi werden? In diesem Tutorial hilft David euch, euch mit der Ausrüstung und den Techniken vertraut zu machen.…

DL

David Leaser

Makro und Nahaufnahme
David Leaser provides a tutorial on focus stacking and a more advanced macro photography. Originally published in the Le Mag France Nikon.
Versuch, Irrtum, Ergebnisse

Vor mehr als einem Jahrzehnt arbeitete David an einer Serie im Amazonasgebiet. Dabei entwickelte er eine Leidenschaft für die kleinsten Lebewesen des Regenwaldes, einschließlich der winzigsten Blumen.

Er stellte bald fest, dass selbst die besten Makroobjektive nicht die gewünschte Detailtreue und Tiefenschärfe erreichen konnten. Er begann mit Focus Stacking zu experimentieren, um die Natur aus der „Bienenperspektive“ einzufangen und zu teilen.

Sein erster Schritt bestand darin, seine damalige Nikon D3X mit dem Objektiv Nikon AF-S Micro NIKKOR 60mm f/2.8G ED auf einen motorisierten Schlitten zu setzen. Bei dieser Anordnung wurden Kamera und Objektiv in festgelegten Abständen immer näher an das Motiv herangeführt, wobei jedes Mal mehrere Aufnahmen gemacht wurden und in jedem Bild ein anderer Fokuspunkt gesetzt wurde.

In diesem Beitrag verwendet David seine Nikon D850 mit ihrer eingebauten Fokusverlagerung. Das bedeutet, dass die Kamera vollkommen still steht. Natürlich könnt ihr auch eine spiegellose Z-Kamera verwenden.

Die Hybridkameras Nikon Z6, Z7, Z7II, Z8 und Z9 verfügen über die Fokusverlagerungsfunktion. Das ist eine Menüfunktion, mit der ihr die Bedingungen für eine Reihe von Bildern festlegen könnt, die in der Bearbeitungssoftware übereinandergelegt werden sollen.

Im Vergleich zu Davids altem Schlittensystem braucht es bei der D850 oder einer spiegellosen Kamera weniger bewegliche Teile, weniger Fummelei mit den Einstellungen und weniger Ausrüstung, die bei Außenaufnahmen mitgeschleppt werden muss. Und ohne Schlitten sind auch keine zusätzlichen Netzteile oder Batterien erforderlich.

Die Ergebnisse sind sogar noch besser. Durch das Drehen des Objektivs anstelle einer Kamerabewegung wird ein wesentliches Problem, für das normalerweise eine Stacking-Software nötig ist, verringert (oder ausgeschaltet): die Parallaxe. In diesem Fall unterscheidet sich das, was ihr im Sucher seht, sehr stark von dem, was eure Kamera aufnimmt. Der Effekt wird umso schlimmer, je näher ihr an euer Motiv herankommt.

Die D850 erfasst fast automatisch alle Fotos, die in das endgültige Bild eingefügt werden sollen. Doch hinter dem Prozess steckt mehr als nur clevere Technik. Es gilt, die Ausrüstung einzurichten, die Einstellungen zu optimieren und Testaufnahmen zu machen. Laut David kommt hier die wahre Kreativität ins Spiel.

Wenn ihr daran interessiert seid, eure eigenen Fokusaufnahmen zu machen oder eure Arbeit mit dem Schlitten zu vereinfachen, befolgt Davids Schritt-für-Schritt-Anleitung zum mühelosen Focus Stacking …

David Leaser provides a tutorial on focus stacking and a more advanced macro photography. Originally published in the Le Mag France Nikon.
Das System

David verwendet das Objektiv AF-S Micro NIKKOR 60mm f/2.8G ED an seiner D850. Außerdem braucht er ein stabiles Stativ (ein Manfrotto 3251), eine kleine LED-Klemmleuchte, einen Hintergrund (für die Fotos in diesem Artikel hat er schwarzen Samt verwendet) und eine Stacking-Software (David mag Zerene Stacker).

Und dann ist da noch seine Geheimwaffe. Schaut euch die Fotos in diesem Artikel an und ihr werdet sehen, dass der wichtigste Faktor das Licht ist. Oder besser gesagt: die Kontrolle über das Licht.

Nikons kabelloses Blitzsystem wurde für Nahaufnahmen entwickelt und gibt euch die vollständige Kontrolle über eure Beleuchtung. Es ist in zwei Versionen erhältlich: R1 (zwei SB-R200-Blitzgeräte, ein Halterungsring und eine Auswahl an Objektivadaptern, auf die der Ring passt) und R1C1 (zwei SB-R200-Blitzgeräte, der SU-800 Master, Halterungsring und Objektivadapter).

Ihr könnt zusätzliche SB-R200-Blitzgeräte hinzufügen, wie es David hier getan hat – er arbeitet normalerweise mit fünf SBR200-Blitzgeräten. „Wie viele Blitzgeräte ich verwende, hängt davon ab, wie groß das Motiv ist und wie nah es sich am Objektiv befindet“, erklärt er. „Ich möchte, dass das Licht aus allen Winkeln auf mein Motiv fällt. Wenn es sehr nah am Objektiv ist, muss ich besonders darauf achten, dass das Licht auch die Unterseite des Motivs erreicht.“

Konfiguration

Alles wird direkt in der Kamera konfiguriert. Die Umstellung auf Focus Stacking ist relativ einfach, aber es lohnt sich, im Handbuch eurer Kamera nachzuschauen.

Startet beim Menüpunkt „Aufnahme mit Fokusverlagerung“. Hier könnt ihr Einstellungen wie die Größe des Fokusschritts, die Anzahl der Aufnahmen und das Intervall zwischen den Aufnahmen vornehmen.

Die Schrittweite steuert, wie weit sich die Teile des Objektivs auf das Motiv zubewegen. In diesen Beispielen entschied sich David für 3.

Als Nächstes müsst ihr festlegen, wie viele Aufnahmen die Kamera für euer Kompositfoto machen soll. David wählt in der Regel zwischen 50 und 125, je nach Größe und Tiefe des Motivs.

Die Einstellung für das Intervall bis zur nächsten Aufnahme gibt die Zeit zwischen den Aufnahmen vor. Der Wert ist entscheidend – denn wie David erklärt: „Akkus sind schneller leer als man denkt!“ Er stellt diesen Wert auf 00 – die Standardeinstellung für fünf Aufnahmen pro Sekunde.

All diese Einstellungen müssen je nach Motiv, dessen Größe und dem verwendeten NIKKOR-Objektiv angepasst werden.

David Leaser provides a tutorial on focus stacking and a more advanced macro photography. Originally published in the Le Mag France Nikon.
Tipps und Tricks

Im Laufe seiner Karriere hat David seine eigenen goldenen Regeln aufgestellt. Betrachtet dies als euren Insider-Leitfaden für magisches Focus Stacking.

Bereitet eure Ausrüstung vor
  • Vergewissert euch, dass der Akku eurer Kamera voll aufgeladen ist – ihr werdet mindestens 120 Fotos machen müssen.
  • Deaktiviert VR – mit Stativ braucht ihr keine weitere Bildstabilisation.
  • Probiert so lange herum, bis ihr die richtige Einstellung für euch gefunden habt. Für sein Focus Stacking verwendet David in der Regel die folgenden Einstellungen: 1/60 Sekunde, f/8 und ISO 64.

Überprüft eure Einstellungen

Geht zum Menü „Aufnahme mit Fokusverlagerung“ und vergewissert euch, dass die Option „Stille Fotografie“ deaktiviert ist. Wenn sie aktiviert ist, funktioniert der Blitz nicht.

David schlägt vor, die Funktion „Belichtungsausgleich“ im Menü „Aufnahme mit Fokusverlagerung“ zu aktivieren, um eine weichere, gleichmäßigere Belichtung zu erzielen.

Die Fokuseinstellungen sind entscheidend. Der Fokusverlagerungsmodus der D850 ist standardmäßig auf Autofokus eingestellt. Doch bevor David diesen Modus aktiviert, stellt er den ersten Fokuspunkt manuell ein, was für optimale Ergebnisse sehr wichtig ist.

Experimentiert mit Zubehör

David hat ein Vergrößerungsokular an seiner D850 angebracht, um die Feinheiten im Sucher besser erkennen zu können. „Ich zoome immer in die Vorschau auf dem LCD-Bildschirm herein, um sicherzustellen, dass ich einen ultrascharfen Fokus habe“, sagt er.

Die Monitortechnologie ist heute so weit fortgeschritten, dass man mit einer 100-Prozent-Ansicht auf dem Monitor die Schärfe sehr gut beurteilen kann.

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Bewegung minimieren

Das ist besonders wichtig, wenn ihr Pflanzen oder Blumen fotografiert. Heiße Luft, die im Raum aufsteigt, eine Klimaanlage, die anspringt, oder eine Brise, die durch das Fenster kommt, reicht aus, um zarte Blütenblätter und Stängel aus der Ruhe zu bringen.

„Eine durchschnittliche Fotosession dauert etwa 15 Minuten. In dieser Zeit denke ich darüber nach, wie sich die Luft bewegt, wie ich mich bewege und ob meine Kamera wackelt“, erklärt David. „Blumen sind Lebewesen, und Lebewesen bewegen sich. Auch beginnen Blumen sofort nach dem Pflücken zu welken. Ich fotografiere in einer Dunkelkammer, denn Blumen wenden sich selbst dem schwächsten Lichtschimmer zu.“

Um die Blumen an die Dunkelheit zu gewöhnen, bringt er sie je nach Art der Blume und ihrer Empfindlichkeit einen halben oder ganzen Tag vor der Aufnahme in die Dunkelkammer. Experimentieren und Erfahrung helfen euch, herauszufinden, wie lange verschiedene Blumen brauchen.

Falls ihr doch ein wenig Bewegung habt, keine Panik: Hier kommt die Stacking-Software ins Spiel. „Deshalb mache ich bis zu 150 Fotos, manchmal auch mehr: Ich kann die unbrauchbaren Aufnahmen aussortieren und erhalte ein Ergebnis, das funktioniert“, sagt David.

Findet euren Abstand

Wie weit sind Davids Motive im Allgemeinen von der Vorderseite seines Objektivs entfernt? „Es kann extrem nah sein – einige Zentimeter, je nach Größe der Blüte – aber nicht so nah, dass es schwierig ist, sie mit Blitzlicht zu beleuchten“, erklärt er.

Ihr müsst experimentieren und es durch Ausprobieren herausfinden. „Ich mache einzelne Testfotos, um festzustellen, wie weit das Objektiv vom Motiv entfernt sein muss, um die beste Beleuchtung zu erzielen“, fährt David fort. „Licht ist das Wichtigste, mit dem man herumprobieren muss. Wenn ich erst einmal das Licht gut eingestellt habe, weiß ich, dass die Fokussierung funktionieren wird. Die Beleuchtung ist die größte Herausforderung.“

Behind the scenes image of David Leaser's focus stacking shoot of macro flower photography.
Wählt euren Standort

Der Ort eurer Aufnahme macht einen großen Unterschied. Im Idealfall befindet ihr euch in einem dunklen, ruhigen Raum – so wie Davids Atelier in der Huntington Library, Art Museum, and Botanical Gardens in San Marino, Kalifornien, wo er die hier gezeigten Fotos aufgenommen hat. Nehmt euch die nötige Zeit, um die richtigen Bedingungen zu schaffen.

Übt, bevor es zur Sache geht

Davids hochwertige Arbeiten haben ihm den Weg für eine langjährige Zusammenarbeit mit der Bildungs- und Forschungseinrichtung Huntington geebnet, die ihm nun die Pflanzen für seine Aufnahmen bereitstellt. „Botanische Gärten sind gute Kunden“, sagt er. „Das Huntington hat etwa ein Dutzend meiner Fotografien in seiner ständigen Sammlung, und viele davon sind dort ausgestellt. Es gibt durchaus Job-Chancen für Fotograf:innen, die diese Technik beherrschen.“

Er rät: „Kauft ein paar Blumen aus dem Supermarkt und übt zu Hause, bis ihr richtig gut seid. Dann wendet euch an botanische Gärten. Viele von ihnen brauchen Leute, die ihre Sammlungen fotografieren. Das ist ein fantastischer Einstieg.“

Und zu guter Letzt: nicht kleckern, sondern klotzen

Focus Stacking geht nicht nur mit Pflanzen. Experimentiert mit auffälligen Insekten, Schmetterlingen, Münzen, Steinen, Rinde, Schmuck, Muscheln, Felsformationen – mit allem, was eine interessante Struktur und komplexe Textur aufweist. Hebt das Gewöhnliche hervor und macht das Alltägliche zu etwas Besonderem.

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